Fondsboutiquen im Aufwind

Unabhängige Vermögensverwalter sind mit ihren Fonds häufig sehr erfolgreich. Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren neben hohen Freiheitsgraden und attraktiven Investmentkonzepten ist, dass sie sich auf ihre Kernkompetenzen im Asset Management konzentrieren können – wenn ihnen eine Service-KVG als starker Partner den Rücken freihält.

Unabhängige Vermögensverwalter und Asset-Management-Spezialisten erfreuen sich seit Jahren wachsender Beliebtheit bei privaten und institutionellen Investoren. Die sogenannten Fondsboutiquen haben längst einen festen Platz in der deutschen Kapitalanlage-Landschaft. Gerade in der herausfordernden Marktphase seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist das Interesse an ihren Ansätzen nochmals gestiegen: Zwischen Ende 2019 und Ende 2021 ist das Gesamtvolumen der Boutiquenfonds in Deutschland um 43 Prozent auf 161,2 Milliarden Euro gestiegen, ergibt die aktuelle Auswertung des auf die Fondskategorie spezialisierten Beratungsunternehmens Pro Boutiquenfonds. Für den Gesamtmarkt offener Publikumsfonds weist die Statistik des Branchenverbands BVI hingegen für den gleichen Zeitraum eine zwar ebenfalls stattliche, aber deutlich geringere Steigerung um 32 Prozent auf 1471 Milliarden Euro aus. Damit beträgt der Anteil der Fondsboutiquen am Gesamtmarkt mittlerweile erstmals klar mehr als zehn Prozent.

Für das Spezialfonds-Segment gibt es bislang keine vergleichbaren Erhebungen. Allerdings legt die aktuelle jährliche Zufriedenheitsstudie der Rating-Gesellschaft Telos nah, dass auch institutionelle Spezialfonds-Investoren einen Boutiquenansatz zunehmend schätzen. Waren kleinere Asset Manager bis 50 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen in den Anfangsjahren der seit 2004 erhobenen Studie noch deutlich unterrepräsentiert bei den Nennungen. Das heißt, sie haben in den Portfolien der institutionellen Anleger kaum eine Rolle gespielt. Dies hat sich aber in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Inzwischen macht die Gruppe der kleineren Asset Manager mehr als ein Viertel der Nennungen aus. Dies zeigt klar, dass die Fondsboutiquen von institutionellen Investoren immer mehr akzeptiert und ausgewählt werden.
Für den weiterhin wachsenden Zuspruch gibt es gute Gründe: Die meist kleineren, inhabergeführten Investmenthäuser zeigen oft hohe Kreativität und Flexibilität in der Anlagestrategie, stehen für Branchen- und Einzelwerte-Investments statt Benchmark-Orientierung und bieten so ein erhöhtes Wachstumspotenzial für Investoren. Ein weiterer Vorteil: Fondsboutiquen zeichnen sich durch ein aktives Asset Management mit entsprechenden Freiräumen aus, die gerade in einem schwierigen Marktumfeld geeignet sein können, Verluste zu begrenzen und Ertragspotenziale risikooptimiert zu nutzen. Dazu zählen regelmäßig auch Investments in ausgewählte Nischenmärkte und Sondersituationen. Insgesamt zeichnen sich viele Manager dabei durch tiefe, langjährig erworbene Spezialkenntnisse aus.

Diese Spezialisierung kann der Fondsmanager zum einen in bestimmten Assetklassen verfolgen, zum anderen auch in Investmentstilen oder auch anderen Variablen des Fondsmanagements. Allerdings fällt in Deutschland im Vergleich zu anglo-amerikanischen Häusern auf, dass viele der Vermögensverwalter sich auf ihre Stärke im Bereich der Asset Allocation konzentrieren. So dominiert in der Pro-Boutiquenfonds-Statistik sowohl beim Gesamtvolumen als auch beim Mittelaufkommen die Kategorie Mischfonds. Hier geht es meist darum, klassische Vermögensverwaltungs-Ansätze im Fondsmantel umzusetzen.

Diese Entwicklung ist historisch gewachsen und unter anderem auf die Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 zurückzuführen. Sie hat bereits im Vorfeld etliche unabhängige Vermögensverwalter dazu veranlasst, ihr Angebot von individuell geführten Kundendepots auf eine oder mehrere vermögensverwalte Fondslösungen umzustellen. Auch die Finanzkrise und die darauffolgende lange Nullzinsphase haben die Nachfrage nach soliden, risikokontrollierten und gleichzeitig Ertrag versprechenden Investment-Ansätzen steigen lassen.

Neben vermögensverwaltenden Fonds-Konzepten sind dabei vielfach auch alternative (Spezialfonds)Ansätze in den Fokus geraten. Denn das aktive Management der Vermögensverwalter macht in vielen Fällen Konzepte investierbar, die durch andere Produkte am Markt nicht vertreten werden (können). Dabei ist die Angebotspalette der Fondsboutiquen insgesamt sehr vielschichtig. Neben Trendthemen wie Digitalisierung oder Impact Investing decken sie auch eine große Zahl weiterer Nischenstrategien über traditionelle und alternative Anlageklassen hinweg ab.

Die Bilanz fällt dabei vielfach positiv aus, wie Performance-Vergleiche immer wieder ergeben. Zwar mangelt es noch an einer umfassenden Untersuchung für den deutschen Boutiquenmarkt. Für die europäische Fondsindustrie indessen ist die Existenz einer „Boutiquenprämie“ auch wissenschaftlich erwiesen. So weist eine Studie von Andrew Clare, Professor für Asset Management an der Londoner Cass Business School für den Zeitraum zwischen Januar 2000 und Juli 2019 eine durchschnittliche Outperformance von Boutiquen in Europa gegenüber den Fonds großer Häuser von 0,23 bis 0,56 Prozent pro Jahr nach Abzug der Gebühren, beziehungsweise zwischen 0,52 und 0,82 Prozent vor Gebühren aus, wobei die Spannbreite aus den verwendeten Berechnungsmethoden resultiert und je nach Assetklasse unterschiedlich hoch ausfällt. Als mögliche Gründe für die Existenz dieser Boutiquenprämie führt Clare die Eigentümerstruktur von Boutiquen und deren Ansatz bei der Portfoliokonstruktion an.

Die größeren unter den Boutiquen mit eigener Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG, früher Kapitalanlagegesellschaft, KAG) haben sich hier teilweise schon früh dem institutionellen Geschäft zugewandt und ihre Strategien in institutionellen Tranchen ihrer Publikumsfonds oder entsprechend zugeschnittenen Spezialfonds angeboten.
Ein weiterer wichtiger Faktor insbesondere für kleinere Häuser ist in Deutschland mit Sicherheit die Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen, die ihnen vor gut 20 Jahren erstmals die Möglichkeit eingeräumt haben, mit einem eigenen Investmentfonds an den Start zu gehen, ohne dafür den umfangreichen gesetzlichen Anforderungen genügen zu müssen, die mit Gründung, Lizenzierung und Betrieb einer eigenen KVG verbunden sind.

Hervorzuheben ist hier das sogenannte Nikolausrundschreiben vom 6. Dezember 2001 (R11/2001; Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen gemäß Paragraf 25 a, Absatz 2 KWG). Mit diesem Schreiben des damaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen – der jetzigen Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht (BaFin) – wurde die Auslagerung von Asset-Management-Leistungen von Kapitalverwaltungsgesellschaften an Dritte möglich und so das Modell der Master-Kapitalverwaltungsgesellschaft (Master-KVG) in die Rechtspraxis umgesetzt. Es war die Geburtsstunde einer Erfolgsstory. So können Großanleger mit Hilfe einer Master-KVG ihre ansonsten über diverse Finanzdienstleister verteilten Vermögenswerte bei einer Gesellschaft in einem Master-Fonds bündeln.

Gleichzeitig war das Schreiben auch Startschuss für die verwandte Service-KVG. Die mittlerweile im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB, Paragraf 36) konkretisierte Norm ermöglicht eben auch, reine Asset-Management-Aufgaben von der Administration zu trennen und auf verschiedene Häuser zu verteilen. Der damit verbundene Aufbruch der Wertschöpfungskette erweist sich bis heute gerade für kleinere Vermögensverwalter als äußerst praktikabel.

Unabhängig vom konkreten Fondsmantel können sie ihren gewohnten Investmentprozess samt geforderter Qualität und Unabhängigkeit umsetzen, ohne von administrativen Aufgaben und der Erfüllung regulatorischer Anforderungen erschlagen zu werden. Insbesondere durch den ausschließlichen Fokus auf das Fondsmanagement lassen sich die notwendigen Bedingungen für eine Outperformance wie Flexibilität bei hohen Freiheitsgraden, kurze Entscheidungswege ohne Gremienabhängigkeiten und aktives Investieren abseits des Benchmark-Denkens sicherstellen.
Wenn sich beide Seiten – der Asset Manager auf der einen und seine Kapitalverwaltungsgesellschaft als Service-Partner auf der anderen Seite – auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, profitieren am Ende nicht nur beide, sondern auch die Investoren. Denn nur wenn Vermögensverwalter die nötigen Ressourcen haben, um sich konsequent um die Kapitalanlage zu kümmern, lässt sich eine Deckungsgleichheit mit den Interessen der Investoren herstellen.

Gerade mittelständisch geprägte Service-KVGs mit langjähriger Erfahrung im Geschäft mit Private-Label-Fonds können unabhängige Vermögensverwalter bei der Fondsauflegung und -administration entscheidend entlasten. Das betrifft insbesondere eine optimale Umsetzung ihrer Konzepte schon bei der Fondsauflegung. So stehen sie Vermögensverwaltern von der Beratung bezüglich Fondsstandort und -art über die Erstellung der Anlagebedingungen und die Koordination mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bis zum Fondsreporting in allen Belangen zur Seite.

Nach der Fondsauflegung zählen etwa die tägliche Berechnung der Fondspreise und die Orderabwicklungen der Fondspartner, das Reporting und meist auch das Risikomanagement zu den Kernaufgaben, die die Service-KVG übernimmt. Hinzu kommt der Dauerbrenner Regulierung in all seinen Facetten. Seit Einführung der Service-KVG sorgen zahllose Regulierungsinitiativen auf unterschiedlichen Ebenen immer wieder für Handlungsbedarf. Angefangen von den regelmäßigen Reformen des europäischen Fondsregelwerks (Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities, kurz UCITS) und der AIFM-Richtlinie für die Verwalter von Nicht-UCITS-Fonds über die Vorschriften der europäischen Wertpapierrichtlinie MiFID II und verschiedene Reporting- und Vertriebs-Anforderungen für unterschiedliche Investorengruppen bis zum Fondsstandortgesetz entfalten eine Vielzahl von Vorschriften direkt oder indirekt Wirkung auf das Fondsgeschäft unabhängiger Vermögensverwalter. Aktuell stehen vor allem regulatorische Vorgaben mit Nachhaltigkeitsbezug auf der Agenda. Dazu zählen die Offenlegungsverordnung und die EU-Taxonomie.

Nachhaltigkeit zählt auch darüber hinaus zu den wichtigsten Trends im Asset Management neben der Digitalisierung. Vermögensverwalter hier kompetent und gleichzeitig pragmatisch und lösungsorientiert zu beraten, zählt neben der klassischen Administration zu den wichtigsten Aufgaben einer Service-KVG. Denn viele Fondsinitiatoren können es schon wegen ihrer schlanken Organisationsstruktur gar nicht leisten, sich umfassend mit diesen Themenkomplexen auseinanderzusetzen. Gefragt ist hier neben rein regulatorischer Expertise und entsprechenden Lösungsangeboten ein Blick für die Entwicklung der Branche insgesamt. So spielen derzeit etwa die Integration von Kryptowerten, aber auch die sogenannte Tokenisierung von Fondsanteilen, also deren digitale Abbildung eine Rolle. Oftmals bieten die spezialisierten Dienstleister zudem vertriebliche Unterstützung in Form von (digitalen) Marketingaktivitäten oder der Anmeldung auf Fondsplattformen.

Insgesamt stellt eine derartige umfassende und auf Partnerschaft ausgerichtete Beratung und Betreuung sicher, dass Fondsboutiquen ihre Stärken nach der Devise „alle Freiheit dem Asset Manager“ ausspielen können. Gerade in einem herausfordernden Marktumfeld ist dies in der Vergangenheit vielfach gelungen. Viel spricht dafür, dass es den unabhängigen Anlageexperten auch künftig gelingen wird, langfristig einen risikoadjustierten Mehrertrag für ihre Anleger zu erwirtschaften.