Moritz Heidbuechel, Rechtsanwalt, King & Spalding LLP
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Handlungsfelder für institutionelle Anleger in der Immobilienwirtschaft
Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist im Rahmen der Verhandlungen über die EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) wieder stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt. Es verpflichtet Unternehmen, Risiken entlang ihrer Lieferketten zu ermitteln, zu bewerten und Risikomanagementprozesse zu etablieren, um nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt zu reduzieren.
Auch wenn das Gesetz mit Blick auf produzierende Unternehmen geschrieben wurde, ist es nicht auf die Industrie beschränkt. Das LkSG gilt allgemein, auch für die Immobilienwirtschaft, daher gibt es für institutionelle Anleger relevante Aspekte.
Direkt und indirekt betroffene Unternehmen
Unmittelbare Pflichten begründet das LkSG für Unternehmen, die mindestens 1.000 Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen. Diese müssen dafür sorgen, dass die Vorgaben des LkSG innerhalb der gesamten Unternehmensgruppe eingehalten werden. Damit fallen z.B. Kapitalverwaltungsgesellschaften, die zu einem größeren Konzern gehören, direkt in den Anwendungsbereich des LkSG. Ein Unternehmen kann auch indirekt von den Vorgaben des LkSG betroffen sein. Wenn es Teil der Lieferkette eines direkt betroffenen Unternehmens ist, ist es „Zulieferer“. Das nach dem LkSG direkt verpflichtete Unternehmen muss seinen Zulieferern auch Sorgfaltspflichten auferlegen.
Die Lieferkette
Die Lieferkette eines Unternehmens umfasst alle Schritte, die zur Herstellung von Produkten oder zur Erbringung von Dienstleistungen des Unternehmens erforderlich sind, von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an Endkunden. Es geht sowohl um Vorleistungen, die in die Wertschöpfungskette des Unternehmens einfließen, als auch den Vertrieb bis zum Endkunden. Der Begriff der Erforderlichkeit wird von der Aufsichtsbehörde, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), weit gefasst. Erforderlich ist alles, was dazu beiträgt, dass das Produkt oder die Dienstleistung reibungslos hergestellt oder erbracht werden kann. Nach Ansicht des BAFA gehört z.B. die Reinigung der Büroräume eines verpflichteten Unternehmens zu dessen Lieferkette.
Nicht Teil der Lieferkette dagegen ist die Beziehung zum (End-)Kunden eines Unternehmens, da der Kunde für den Herstellungsprozess nicht erforderlich ist. Im Hinblick auf die Kreditwirtschaft hat das BAFA klargestellt, dass daher weder die Kundenbeziehung einer Bank noch deren Refinanzierungsgeschäfte Teil der Lieferkette sind (soweit die Refinanzierung nicht ganz spezifisch auf ein kundenseitiges Geschäft bezogen ist).
Lieferkette im Verhältnis von Anleger und KVG
Wie die Rechtslage im Hinblick auf das Verhältnis von Anleger und KVG ist, ist nicht sicher geklärt. Die erste Frage ist, ob ein institutioneller Anleger überhaupt Dienstleistungen erbringt, oder ob die Anlage nicht als eigene Vermögensanlage zu bewerten ist. Sollte man zu dem Schluss kommen, dass der Anleger selbst Dienstleistungen erbringt (z.B. seinen Versicherten oder Mitgliedern gegenüber), dann wäre die Anlage aus unserer Sicht dennoch regelmäßig so weit losgelöst vom individuellen Versicherungs- oder Mitgliedsverhältnis, dass die Anlagetätigkeit dennoch nicht Teil der Lieferkette des Anlegers ist. Damit ist die KVG auch nicht Teil der Lieferkette des Anlegers. Aus unserer Sicht ist auch der Anleger nicht Teil der Lieferkette der KVG, denn im Verhältnis zur KVG ist der Anleger „Endkunde“. Die KVG bedient sich nicht des Anlegers, um ihre Dienstleistungen an einen weiteren Endkunden zu vermitteln, sondern erbringt ihre Leistungen direkt dem Anleger gegenüber.
Relevanz bei Mietverträgen
Mit der gleichen Begründung ist auch die Vermietung von Räumen aus Sicht des Vermieters nicht Teil von dessen Lieferkette. Vielmehr stellt die Vermietung unmittelbar die Leistung des Vermieters an seinen „Endkunden“ dar. Den Vermieter treffen daher aus unserer Sicht keine Pflichten nach dem LkSG im Hinblick auf seine Mieter (u.U. aber für seine sonstigen Vertragspartner bei der Bewirtschaftung der Immobilie). In der Praxis sehen wir allerdings auch Vermieter, die – da die Rechtslage nicht eindeutig ist – die Vorgaben des LkSG im Hinblick auf ihre Mieter mit teilweise erheblichem Aufwand erfüllen.
Aus Sicht des Mieters, der nach dem LkSG verpflichtet ist, ist ein Mietvertrag meist Teil von dessen Lieferkette. Vermieter sehen sich dann damit konfrontiert, dass der Mieter ihnen gegenüber Präventionsmaßnahmen vereinbaren möchte, die nach den Vorgaben des LkSG insb. die Zusicherung der Einhaltung von menschenrechts- und umweltbezogenen Pflichten umfassen. Vermieter sollten, wenn entsprechende Wünsche an sie herangetragen werden, entsprechende Klauseln sorgfältig prüfen und hier nicht vorschnell Vereinbarungen treffen, die über das nach dem LkSG erforderliche Maß hinausgehen.
Ausblick
Die Vorgaben des LkSG werden auch in weiteren Rechtsbeziehungen in der Immobilienwirtschaft relevant, deren Darstellung den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Es ist damit zu rechnen, dass die Umsetzung der CSDDD in deutsches Recht zu Anpassungen im Hinblick auf den Anwendungsbereich und die einzelnen Sorgfaltspflichten führen werden. Anleger und andere Marktteilnehmer sollten das LkSG daher im Blick behalten.