Artikel „Factor Investing im Laufe der Zeit“

Seit etwa drei Jahrzehnten ist in der Finanzmarktforschung bekannt, dass Aktienmarkterträge nicht nur das Eingehen systematischer Marktrisiken (Beta) und die Leistung des Fondsmanagements (Alpha) entlohnen, sondern auch auf speziellen Investmentfaktoren basieren. Faktorbasiertes Investieren – oder Factor Investing – macht sich dies zunutze. Dabei können auch neuere Trends wie Nachhaltigkeitsaspekte sowie künstliche Intelligenz berücksichtigt werden.

In den 1980er und vor allem 1990er Jahren identifizierte die Finanzmarktforschung eine Reihe sogenannter Investment-Faktoren, deren Erträge systematisch vereinnahmt werden können: Unternehmensgröße (oder Size), Value, Momentum, später kamen weitere hinzu. Jeder einzelne dieser Faktoren weist jeweils spezifische Vor- und Nachteile auf. Deshalb kam im Asset Management bereits im späteren Verlauf der 1990er Jahre die Idee auf, zusätzlich eine Qualitätskomponente einzuführen und die beste Kombination aus allen Ansätzen zu bilden.

Die im Jahr 1999 aufgelegte Allianz Best Styles-Strategie war eine der ersten, die die wissenschaftliche Finanzmarktforschung zum Factor Investing in einer kombinierten Investmentstrategie umsetzte. Heutzutage lässt sich dieser Ansatz vermutlich als Multifaktor-Strategie bezeichnen, damals gab es allerdings noch keine derart allgemein gebräuchliche Bezeichnung. Am Beispiel dieser Strategie lässt sich zeigen, wie die Vorgehensweise beim Factor Investing im Laufe der Zeit sowohl verfeinert als auch kontinuierlich weiterentwickelt wurde.

So erkannte man etwa bereits in den frühen 2000er Jahren, dass es weitere Einflussfaktoren für die Marktstimmung und damit für Aktienkurse gibt, beispielsweise stark schwankende Rohstoffpreise. Notabene entsteht hierbei allerdings langfristig kein Mehrwert für Anleger. Daher wurde ein Management sogenannter „Risikofaktoren, die keinen Ertrag erbringen“ in den Ansatz integriert.

In den 2010er Jahren kamen verstärkt Nachhaltigkeitsaspekte hinzu. Hierbei gibt es je nach Kundenbedarf verschiedene Vorgehensweisen: SRI1-Ausschlusskriterien, eine Best-in-Class-SRI-Titelauswahl, SRI-Ziele auf Portfolioebene und/oder die Verwendung von SRI-Benchmarks. Mittlerweile existieren auch Factor Investing-Strategien, die sich an den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen (UN SDGs, Sustainable Development Goals) orientieren oder mit Blick auf den Themenkomplex Dekarbonisierung der Wirtschaft / Klimawandel investieren.

Da der Investmentprozess im Factor Investing naturgemäß stark quantitativ ausgeprägt ist, überrascht nicht, dass in diesem Anlagesegment bereits frühzeitig über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) nachgedacht wurde. Inzwischen ist KI zu einem integralen Bestandteil geworden. Beispiele sind Maschinelles Lernen (Machine Learning), Künstliche Neuronale Netze oder auch die Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP), die mittlerweile zu großen generativen Sprachmodellen wie ChatGPT weiterentwickelt wurden. Für die Best Styles-Strategien wurde 2021 ein Rahmenwerk zur Integration von KI-Signalen entwickelt.

Trotz aller verbesserten Analysemöglichkeiten, die sich mithilfe von KI ergeben, wird allerdings – zumindest bei AllianzGI – die Maschine den Menschen nicht ersetzen. Da sich beide ergänzen, wird es vielmehr weiter heißen: Mensch und Maschine.

1 SRI steht für Sustainable & Responsible Investment, also nachhaltige und verantwortungsbewusste Kapitalanlage

 

AUTOREN:

Dr. Michael Heldmann, CIO Systematic Equity, Allianz Global Investors

Thomas Linker, Head of Distribution Germany & Austria, Allianz Global Investors