„Die Bedeutung von Corporate Real Estate wird weiter deutlich zunehmen“

Interview mit Professor Dr. Andreas Pfnür, Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre an der TU Darmstadt

„Die Bedeutung von Corporate Real Estate wird weiter deutlich zunehmen“

Warum wird das Thema Corporate Real Estate bislang unterschätzt?
Als wir im Jahr 1998 mit dem Thema Corporate Real Estate gestartet sind war die Immobilienwirtschaft noch komplett vom Kapitalmarkt geleitet. Die Flächennutzer spielten für Immobilienunternehmen eine deutlich untergeordnete Rolle. Dabei machten damals die Eigentumsquoten in diesem Bereich noch rund 80 Prozent aus. Heute liegt sie bei 60 Prozent, denn die Kapitalmärkte strafen Unternehmen mit hohen Eigentumsquoten ab. Insofern wurde und wird Corporate Real Estate nach wie vor stark von Partikularinteressen beeinflusst. Fakt ist hingegen, die Öffentlichkeit nimmt sehr wohl das Thema Unternehmensimmobilien wahr.

Wie groß und bedeutend ist der Bereich Unternehmensimmobilien tatsächlich?
Rund ein Drittel des Immobilienbestandes in Deutschland entfällt auf Unternehmensimmobilien. Das entspricht einem Wert von etwa 4,5 Billionen Euro. Praktisch die gesamte Wirtschaft findet in und mit Gebäuden statt. Fast 10 Prozent der Beschäftigten kümmern sich in Deutschland um die Bereitstellung dieser Flächen.

Vor welchen Herausforderungen steht das Corporate Real Estate Management (CREM) heute?
Die Kernpunkte sind die Transformation in der Wirtschaft und der Gesellschaft. In diesem Zuge erwarten wir für die nächsten 10 Jahre eine Anpassung von rund 60 Prozent der Flächen an neue Nutzungsbedingungen. Hier greift ursächlich vor allem die digitale Transformation mit der zunehmenden Robotik und dem Großthema KI. Interessant ist dabei, dass bei einer Umfrage von uns Unternehmen ein Potenzial zur Steigerung der Arbeitsproduktivität von über 20 Prozent durch bessere Flächen erwarten. Denn derzeit geben Unternehmen etwa 80 Prozent für Personal aus und nur 10 Prozent für Immobilien. Investieren Unternehmen entsprechend in bessere Flächen für eine höhere Effizienz, so ergibt sich ein enormer Hebel für die Produktivität des weitaus größeren Kostenblocks Personal.

Auf Ihrer diesjährigen Sommerkonferenz sprachen Sie von „Next Level CREM“. Was genau verstehen Sie darunter?
Die Unternehmen haben sich im Immobilienbereich vor allem bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb erheblich weiterentwickelt. Hier sind wir bereits gemessen an den Anfängen zum Beginn des CREM in der Zeit der Milleniumswende auf einem deutlich höheren Level angekommen. Allerdings sieht es bei der Steigerung der Nutzer-Performance noch nicht so aus. Genau in diesem Punkt, der Effizienz von Unternehmensimmobilien für die Produktivität, hinken wir noch hinterher. Wichtig ist dabei, man kann die Effizienz monetarisieren, für die einzelnen Menschen im Unternehmen wie auch ganze Gruppen. Wir haben ein Beispiel aus unserer Begleitung für ein Pharma-Unternehmen. Hier konnte unser Partnerunternehmen Investitionen in neue Flächen im dreistelligen Millionen Euro Bereich durch eine signifikante Effizienzsteigerung einen ROI bereits nach drei Jahren erzielen.

Welche Rollen spielen Künstliche Intelligenz und Digitalisierung im CREM?
Beide Technologien sind, wie so oft, für das CREM um Gamechanger. Die aktuellen Engpässe der betriebliche Immobilienwirtschaft sind mangelnde Transparenz und fehlendes Human Kapital in den Kernprozessen. Beide Hürden werden wir mit Hilfe digitaler Technologien in den nächsten Jahren ohne Zweifel überwinden. Spannend ist in diesem Zusammenhang für das CREM insbesondere auch die Robotik. Der stärkste Impact aller digitaler Technologie auf das CREM erfolgt aber mittelbar über die digitale Transformation der Arbeitswelten. Durch Digitalisierung stark transformierte Arbeitswelten verändern den quantitativen und qualitativen Flächenbedarf auf bislang ungeahnte Weise. Ich sprach in diesem Zusammenhang oben bereits über die Themenfelder der digitalen Transformation. Für das CREM ist die größte Aufgabe, diese Transformation durch passgenaue Immobilien überhaupt erst zu ermöglichen. Dazu gehört dann auch, den Arbeitnehmern quasi als Gegenpool der Digitalisierung wieder auf den Menschen zentrierte physische Arbeitsorte bereitzustellen. Individuelle „Lieblingsorte“ und soziale „Lagerfeuer“ haben zukünftig eine zentrale Stellung bei der Plaung von Gewerbeimmobilien. In diesen Bereichen liegen enorme Chancen für die Immobilienwirtschaft, gerade auch für zukunftsfähige Investments.

Könnten Unternehmensimmobilien künftig auch stärker in den Fokus institutioneller Investoren rücken?
Eindeutig ja, wir müssen wieder stärker die Chancen in den Fokus rücken, natürlich ohne die Risiken, speziell im Bestand, auszublenden. Die Deinvestition der Unternehmen wird weitergehen und damit institutionellen Investoren Chancen für Objekte mit Restrukturierungsbedarf bieten.

Was ist Ihr Ausblick zum Thema CREM? Wo werden wir in 5 Jahren stehen?
Die Unternehmen erkennen zunehmend das Geschäftsmodell Corporate Real Estate. Hier liegen die Potenziale auf mehr Produktivität und gleichzeitig sehr große stille Reserven bei den Immobilienbewertungen. Werksleitungen in der Produktion haben beispielsweise vor allem ein Budget mit einem Fokus auf die Betriebsmittel und nicht die Immobilien. In großen Unternehmen mit eigenen CRE-Teams wird das jedoch erkannt und die Chancen genutzt. Wir werden schon in den nächsten 5 Jahren feststellen können, dass die Unternehmen die Effizienzbedeutung von Immobilien messbar stärker erkennen werden und professioneller das Immobilienvermögen einsetzen. Damit wird die Bedeutung von Corporate Real Estate weiter deutlich zunehmen.

Was tun Sie, um neue Energie zu tanken?
Seit einigen Jahren genieße ich an meinem Wohnort Hamburg das Stand-Up-Paddeln. Es ist anstrengender, als man denkt. Da ich auf Sylt aufgewachsen bin liebe ich das Meer und genieße lange Spaziergänge an der Küste. Der weite Blick über die See öffnet zumindest bei mir so manchen Horizont und nicht selten kommen mir dabei die besten Ideen für meine Tätigkeit an der TU Darmstadt.

 

 

Über Professor Dr. Andreas Pfnür
Andreas Pfnür leitet das Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt. Er berät Unternehmen, die Bundesregierung sowie Verbände in immobilienwirtschaftlichen Fragen. Seine aktuellen Aktivitätsschwerpunkte sind „betriebliches Immobilienmanagement“, sowie die aktuellen immobilienwirtschaftlichen Transformationsprozesse der Arbeitswelten, der Innenstädte und des Wohnens sowie die ökologische Nachhaltigkeit im Gebäudesektor.