Moritz Heidbuechel, Rechtsanwalt, King & Spalding LLP
Die Schriftform bei Mietverträgen: Was sich jetzt ändert
Jeder Anleger in der Immobilienbranche kennt die Bedeutung eines gut formulierten Mietvertrags. Aber die Form des Vertrags war oft genauso wichtig wie sein Inhalt. Denn § 550 BGB verlangt für langfristige Mietverträge den schriftlichen Abschluss des Vertrags. Eine einfache Vorschrift, die in der Praxis oft zu Kopfzerbrechen führt – oder geführt hat.
Was besagt § 550 BGB?
Kurz gesagt: Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr müssen schriftlich geschlossen werden. Klingt einfach, aber zur Schriftform gehört mehr, als man meinen könnte:
- Vollständigkeit: Alle wesentlichen Vertragsbedingungen müssen schriftlich fixiert sein. Wird ein relevanter Punkt nur mündlich oder E-Mail abgestimmt, gefährdet das die Einhaltung der Schriftform.
- Anlagen, Nachträge und Änderungen: Jede Anlage zum Mietvertrag muss eine eindeutige Beziehung zum Vertragstext haben. Jede Vertragsänderung muss ebenfalls die Schriftform wahren und sich auf die schon vorhandenen Unterlagen beziehen.
- Unterzeichnung: Alle Vertragsparteien müssen auf derselben Urkunde unterschreiben. Separate Unterschriften auf Kopien genügen nicht. Auch die immer beliebteren DocuSign- oder AdobeSign-Unterschriften genügen in den meisten Fällen nicht den Anforderungen von § 550 BGB.
Die Konsequenzen eines Schriftformmangels
Ein Verstoß gegen die Schriftform hat weitreichende Folgen: Der Vertrag ist mit der gesetzlichen Frist kündbar, also nur 6 bis 9 Monaten. Das kann insbesondere bei langfristigen Investitionen problematisch sein, bei denen sich der Anleger auf zuverlässige Mieteinnahmen über die gesamte Laufzeit verlässt. Die sicher geglaubten Mieteinnahmen sind dann dahin.
Was sich jetzt ändert
Durch das vierte Bürokratieentlastungsgesetz können ab 1. Januar 2025 Änderungen bei gewerblichen Mietverträgen in Textform erfolgen, ab 1. Januar 2026 auch Neuabschlüsse von Mietverträgen.
Was unter Textform zu verstehen ist, steht in § 127 BGB: Eine lesbare Erklärung, die den Erklärenden nennt und dauerhaft gespeichert ist. Dazu gehören E-Mails, aber auch DocuSign, Adobe Sign und andere Lösungen für elektronische Unterschriften, und sogar SMS- oder WhatsApp-Nachrichten. Eine rein mündliche Vereinbarung genügt auch künftig nicht den gesetzlichen Anforderungen und führt wieder zum oben dargestellten Kündigungsrisiko.
Mit dieser Änderung ist klar, dass künftig nicht immer Papierdokumente ausgetauscht werden müssen, was die tägliche Praxis bei vielen Vermietern und Asset Managern erleichtern wird und den Weg für stärker digitale Prozesse frei macht.
Was noch unklar ist
Dennoch sind durch die Gesetzesänderung nicht alle Fragen geklärt und alle Probleme beseitigt.
Offen ist aktuell die Frage, ob die bisherigen Anforderungen für die Vollständigkeit und die Bezugnahmen bei Anlagen, Nachträgen und Änderungen auch künftig zu beachten sind. Schriftform und Textform werden gesetzlich unterschiedlich behandelt, so dass hier eine bloße Fortführung der bisherigen Auslegung durch die Gerichte nicht unbedingt naheliegt. Es empfiehlt es sich aber, auch künftig auf saubere Bezugnahmen zu achten. Denn unabhängig von zwingenden gesetzlichen Anforderungen trägt Klarheit im Vertragstext mit eindeutigen Bezügen zu den Anlagen auch künftig dazu bei, Streit zwischen den Parteien zu vermeiden.
Ebenfalls nicht klar ist, wie die in alten Mietverträgen oft enthaltenen Vertragsklauseln zum Umgang mit dem Schriftformerfordernis künftig auszulegen sind. Die Klauseln könnten weitgehend bedeutungslos sein, wenn klar ist, dass die Parteien nur gesetzlich angeordneten Schriftform Genüge tun wollten. Die Klärung dieser Frage wird nur anhand der konkreten Formulierung im betroffenen Mietvertrag möglich sein, und dann auch nicht immer zu einer eindeutigen Antwort führen. Für die Praxis bietet es sich an, zumindest beim nächsten Nachtrag noch die „alte“ Schriftform einzuhalten und die mit der neuen Gesetzeslage unnötige vertragliche Regel gleich mit anzupassen.
Chance zur Digitalisierung und Anpassung von Prozessen
Die Anpassung von Mietverträgen bietet die Gelegenheit, den Unterschriftsprozess zu digitalisieren und interne Abläufe auf Risiken der neuen Rechtslage hin zu überprüfen. Da künftig bereits eine E-Mail für Vertragsänderungen ausreichen kann, ist es besonders wichtig, dass die Kommunikation zwischen Mieter und Vermieter klar signalisiert, ob Änderungen gewollt sind oder nur Vorschläge darstellen. Trotz der Erleichterungen durch die Textform bleiben sorgfältige Vertragsgestaltung und klare Kommunikation essenziell, um Streit und Kosten zu vermeiden.