Bund Institutioneller Investoren: Herr Stephan, vor knapp einem halben Jahr haben Sie die Verka, einen Spezialversicherer für die kirchliche Beamten- und Zusatzversorgung, in Richtung Ruhestand verlassen. Zwölf Jahre waren Sie dort Vorstand für Kapitalanlagen und einiges mehr. Wie geht es Ihnen?
Ewald Stephan: Mir geht es ausgesprochen gut. Ich genieße den Ruhestand, der eigentlich – durchaus auch gewollt – zum berühmten Unruhestand mutiert ist. Mein Stundenplan ist mehr als voll. Aber es macht mir großen Spaß, dass meine Leidenschaft, die Nachhaltigkeit mit all ihren Facetten, nun im Mittelpunkt meiner beruflichen Aktivität steht. Ich bin nun in meinem Tun und Handeln nicht mehr fremdbestimmt, bin nicht mehr verwaltend tätig, sondern gestaltend und kann eigenverantwortlich das tun, woran ich Freude habe. Ich lebe sozusagen mein Hobby, und das im Einklang mit Familie, Sport und Reisen sowie noch einigen ehrenamtlichen Aktivitäten in Kirche und Diakonie.
Worauf sind Sie – rückblickend auf Ihre Karriere – besonders stolz?
Ich glaube, ich habe es einigermaßen geschafft, mich nicht immer selbst in den Mittelpunkt zu stellen und zum Maß aller Dinge zu machen. Ich habe meine Karriere weniger selbst gestaltet, sie hat sich durch die beruflichen Aktivitäten so ergeben. Und ich habe gelernt, was es heißt, auch einmal demütig und bescheiden unterwegs zu sein. Das ist ein ganz besonders kostbares Gut.
Sie sind beruflich noch immer viel unterwegs außerhalb Ihrer Heimat im Bergischen Land. Welche Projekte treiben Sie aktuell voran?
Das große Projekt heißt natürlich Nachhaltigkeit. Hier gibt es so viel zu tun. Und das wird auch so bleiben. Es ist ein evolutionäres Thema, das sich ständig weiterentwickelt und bei dem man nie am Ziel ist. In verschiedenen Beratungs- und Aufsichtsratsmandaten versuche ich meinen Teil dazu beizutragen, dass unsere Schöpfung bewahrt bleibt, wir unseren Kindern generationengerecht eine bewohnbare Welt ohne untragbare Lasten und Bürden hinterlassen, in der es gerechter und besser zugeht, als wir das heute leider vielfach noch immer erleben. Unsere Kinder haben leider keine Lobby außer uns Eltern und Alten. Diese Verantwortung müssen wir wahrnehmen und ernst nehmen.
Ihr Name ist untrennbar mit der nachhaltigen Kapitalanlage verknüpft. Der allgegenwärtige Nachhaltigkeitsdreiklang „ESG“ und die mit ihm einhergehende Komplexität überfordert viele Großanleger. Wo fängt man an, wenn man Umweltaspekte, Soziales und Fragen guter Unternehmensführung beachten will – gleichzeitig aber gezwungen ist, Rendite zu erwirtschaften, damit Renten bezahlt werden können?
Es gibt verschiedene Anknüpfungspunkte, wie man das Thema Nachhaltigkeit angehen kann. Der schlechteste ist meiner Ansicht nach über die Regulatorik, wo man gezwungen wird, Taxonomie, Risiken und Offenlegung zu adressieren. Das hat wenig bis gar keinen Mehrwert für die Unternehmen und steht deshalb auch zurecht in der Kritik. Besser ist es meiner Meinung nach, sich der eigenen Wertevorstellungen und der eigenen Verantwortung bewusst zu werden und Dinge nicht einfach hinzunehmen, wie sie sind. Hier gilt es, Veränderungen anzustreben im Hinblick auf E, S und G.
Und das kann man auf unterschiedliche Art und Weise machen, über Ausschlüsse, Best-in-Class-Ansätze, Impact Investing und natürlich über Engagement. Letztere ist eine ganz besonders wichtige Komponente. Die Hauptsache ist, man unternimmt etwas für mehr Nachhaltigkeit – und wenn es auch zunächst nur kleine Schritte sind. Gar nichts tun, geht gar nicht. Und übrigens lassen sich Nachhaltigkeit, Risikomanagement und Rendite perfekt kombinieren. In der Nachhaltigkeit liegen zahlreiche sehr gute Chancen. Risiken lassen sich vermeiden oder reduzieren. Man muss hier kein Philanthrop oder Gutmensch sein.
Wie können Großanleger ökonomische und ökologische Ziele geschickt miteinander verbinden?
Eine gute Unternehmensführung, die soziale und ökologische Aspekte einbindet, wird nach meiner Überzeugung mittel- bis langfristig auch immer durch eine bessere Performance belohnt. Das zeigt mir meine Erfahrung über mehr als zwölf Jahre. Zudem lassen sich – wie gesagt – Risiken reduzieren oder vollständig vermeiden. Auch das zahlt sich letzten Endes immer aus. Dabei kann im Einzelfall kurzfristig ein „dreckiges“ Investment natürlich auch einmal outperformen. Aber will man ein solches Investment letztlich im Buch haben, wenn man werteorientiert und verantwortlich anlegt? Für mich ist die Antwort darauf eindeutig. In meiner Laufbahn als Investor habe ich lieber auf 3 oder 5 Basispunkte an Zusatzrendite verzichtet. Basispunkte sind kein Wert an sich.
Bitte beschreiben Sie das anspruchsvollste Investment Ihrer Karriere?
Das ist mit Abstand die Kernsanierung des Verwaltungsgebäudes der Verka in Berlin. Die Sanierung hat sich über mehr als vier Jahre hingezogen und letztlich ein Vielfaches mehr gekostet, als geplant war. Gründe dafür waren unter anderem die sich ständig ändernden Anforderungen an den Brandschutz und mehr. Unser Ziel haben wir aber erreicht. Das Objekt ist eine DGNB-Gold-zertifizierte Altbauimmobilie. Gleichzeitig konnten wir die CO2-Emissionen deutlich senken.
Also hat sich der Aufwand ausgezahlt?
Das müssen meine Nachfolger beantworten, ich hoffe es aber sehr.
Wie halten Sie sich fit?
Ich mache jeden Tag eine Stunde Sport und gehe im Keller unseres Hauses in die Sauna. Darüber hinaus fordern mich meine nun schon fast erwachsenen Kinder und meine Frau täglich neu heraus, mit ihnen Schritt zu halten. Das tut gut und hält jung und fit. In Sachen Nachhaltigkeit sind mir die Kinder schon weit voraus und das ist gut so.
Welches Buch haben Sie mehrmals gelesen und warum?
Die Bibel. In ihr lese ich jeden Tag und entdecke ständig Neues und verstehe nach vielen Jahren auf einmal manche Sachverhalte ganz neu. Die Bibel inspiriert und ist zugleich zeitlos und doch modern. Besonders gut gefällt mir, dass es in ihr keine Regulatorik und Vorschriften gibt, nur Angebote und die Grundlage grenzenloser und bedingungsloser Liebe.
Ein zweites Buch, das ich mehrfach gelesen habe, ist das gesellschaftskritische Werk von Erich Fromm: „Haben oder Sein“. Es ist sehr zu empfehlen. Auch hier geht es um Werte und die Gestaltung des Lebens.
Welche Hobbys pflegen Sie mit Leidenschaft?
Alle Arten von Sport. Hier gilt übrigens der Grundsatz: „Mens sana in corpore sano.“ Das kann ich nur unterstreichen.
Über den Interviewten:
Ewald Stephan ist Vollprofi in der institutionellen Kapitalanlage. Nach Karrierestationen in der Versicherungswirtschaft war Stephan von 2009 bis 2021 Vorstandsmitglied der Verka in Berlin. Im Führungsgremium des Spezialversicherers für die kirchliche Beamten- und Zusatzversorgung, zu dem auch eine Pensionskasse gehört, verantwortete der Diplom-Kaufmann die Ressorts Kapitalanlagen, Rechnungswesen, Controlling, Steuern, Interne Revision sowie Informationstechnologie und Organisation. Aktuell berät Stephan Versicherungen und Pensionskassen in allen Fragen der Nachhaltigkeit gemeinsam mit der Assekurata Solutions GmbH in Köln. Er ist Mitglied im Policy Advisory Board des von den Vereinten Nationen unterstützten Netzwerks Principles for Responsible Investment (PRI) sowie Beirat des Bundes Institutioneller Investoren (bii).
Die Fragen stellte Tobias Bürger, bii.
Bild: Verka.
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