Finanzierungsprofi Thomas Bayerl: „Kein Investment ist wie das andere“

Bund Institutioneller Investoren: Herr Bayerl, wann kam es bei MEAG zu der richtungsweisenden Entscheidung, Großprojekte wie den Bau von Straßen oder Windkraftanlagen zu finanzieren, also buchstäblich in die Rolle von Banken zu schlüpfen?

Thomas Bayerl: Im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 konkretisierten sich die Überlegungen. Drei Gründe sind zu nennen. Erstens: Die Zinsen gaben noch einmal ein deutliches Stück nach, der Renditedruck verstärkte sich. Zweitens: Banken haben sich ein Stück weit zurückgezogen und Raum geschaffen für weitere Investoren. Drittens: Versicherungen und ihre Asset Manager haben ihre Anstrengungen verstärkt, Illiquiditätsprämien zu heben. Es war von Anfang an aber klar, dass mit solchen Finanzierungen auch Risiken einhergehen, die genauestens zu analysieren sind.

Unterscheidet sich Ihr Finanzierungsansatz von den Konzepten klassischer Kreditinstitute?

Bayerl: Nicht grundlegend, aber vor allem war die Ausgangssituation unterschiedlich. Versicherungen wollen mit den Finanzierungen langlaufende Zahlungsverbindlichkeiten im Kerngeschäft abdecken. Sicherheit hat deswegen einen besonderen Stellenwert. Wir haben uns auch die erforderliche Zeit genommen, um den Investmentprozess aufzusetzen und in unsere Analysekompetenz zu investieren. So nutzen wir auch systematisch die technische Risikokompetenz in der Versicherung.

Häufig sitzen Sie mit Banken bei Finanzierungsprojekten in einem Boot. Wie verteilen sich dabei Chancen und Risiken?

Bayerl: Die Chancen und Risiken verteilen sich in der Regel pari-passu. Eine Abweichung – wenn man das so sehen möchte – kann gegebenenfalls die Finanzierungslaufzeit sein, da wir als Asset Manager für institutionelle Investoren eher längere Laufzeiten suchen. Banken agieren tendenziell eher im kurzen bis mittleren Laufzeitenbereich. Generell folgen aus unserer Zielfunktion Mindestbedingungen, zu denen wir bereit sind, Projekte zu finanzieren. Sind die Risiken zu hoch oder nicht ausreichend vergütet, investieren wir nicht. Grundsätzlich hängt der Risikoappetit der Investoren aber auch vom zugrundeliegenden Gesamtportfolio und der angestrebten Diversifikation ab.

Die Finanzierung von Autobahnprojekten ist bei Ihnen inzwischen Tagesgeschäft. Wie passt das in diese Zeit, in der manche Anleger ihre Assets, die auch nur ansatzweise mit der Emission von CO2 in Verbindung gebracht werden könnten, aus Gründen der Nachhaltigkeit abstoßen?

Bayerl: Wir stehen in einem ständigen Dialog mit unseren Anlegern und entwickeln die ESG-Standards und das ESG-Reporting kontinuierlich weiter. Speziell zum Thema „Straße“ gibt es auch Argumente dafür, denn auch E-Mobilität erfordert Autobahnen, welche Staus und Lärm reduzieren und weniger Abnutzung produzieren. Dies führt zu weniger Energieverbrauch und damit weniger CO2, weniger Lärm. Viele Straßen führen den Verkehr weg aus besiedelten Gebieten, was wiederum die Lebensqualität der Menschen erhöht. Alle Projekte, so auch im Bereich „Straße“, müssen jedoch so beschaffen sein, dass negative Einflüsse auf die Umwelt ausreichend – basierend auf europäischen Vorgaben – mitigiert sind. Wir wollen es uns aber nicht einfach machen und uns hinter Regulierungen und Gesetzen verstecken, sondern wissen um unsere Verantwortung. Wir versuchen, wo auch immer das möglich ist, durch die Projekte, welche wir finanzieren, aktiv eine positive ESG-Bilanz zu erreichen.

Im vergangenen Jahr wurde die MEAG vom Fachmagazin „portfolio institutionell“ als bester Investor in der Kategorie alternative Asset-Klassen gewürdigt. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Bayerl: Erstens: Ein stringenter Investmentprozess, ein starkes Team und eine hohe Analysekompetenz. Zweitens: Eine starke Vernetzung im Markt gepaart mit einer hohen Lieferfähigkeit, also der Fähigkeit, Investorenwünsche und die Bedürfnisse der Finanzierungssuchenden sach- und zeitgerecht abarbeiten zu können. Drittens: Ein transparenter, offener und stetiger Dialog mit unseren Anlegern.

Sind illiquide Anlagen für institutionelle Investoren inzwischen mehr als nur ein kleiner Teil eines breit gestreuten Portfolios?

Bayerl: Immobilien als illiquide Anlage sind seit jeher eine traditionelle Assetklasse für Versicherungen und ihre Anleger, sowohl auf der Eigen- als auch Fremdkapitalseite. Mit der Finanzkrise richtete sich die Aufmerksamkeit verstärkt auf die Assetklasse Infrastruktur. Illiquide Anlagen passen sehr gut in den Asset-Liability-Mix der institutionellen Anleger. Daher werden auch wir diese Assetklasse weiter ausbauen und mehr in illiquide Anlagen investieren.

Ihr Arbeitsplatz ist angesichts europaweit verstreuter Finanzierungsvorhaben mit Dienstreisen und komplizierten Prüfungsprozessen verbunden. Hinzu kommen Sprachbarrieren. Was war Ihr bislang ambitioniertestes Investment? Und hat es sich ausgezahlt?

Bayerl: Jedes Investment ist eine Herausforderung, denn keines ist wie das andere. Wer meint, Finanzierungen gebe es von der Stange, der übersieht Risiken und wird keinen Erfolg haben. Unsere systematische Herangehensweise verhindert, dass wir in Risiken investieren, die wir nicht verstehen oder die wir nicht adäquat vergütet bekommen. Und ob sich ein Investment auszahlt, das lässt sich erst am Ende und im Portfoliozusammenhang beantworten. Ein Zwischenfazit würde auf jeden Fall positiv ausfallen.

Wie entspannen Sie sich nach getaner Arbeit?

Bayerl: Die Zeit am Abend und am Wochenende mit meiner Familie geben mir viel Energie. Meist gehen meine Frau und ich auch immer längere Runden spazieren.

Welches Buch haben Sie mehrmals gelesen und warum?

Bayerl: Was ich sehr gern gelesen habe, war die Erzählung „Das Café am Rande der Welt“ von John Strelecky. Ich mag Dinge, welche zum Nachdenken anregen, nur so kann man sich weiterentwickeln.

Über den Interviewten:
Thomas Bayerl arbeitet beim Vermögensmanager der Versicherungskonzerne Munich Re und Ergo, der MEAG. Als Head of Illiquid Assets Debt verantwortet er seit Dezember 2018 die Vergabe von Darlehen an Gesellschaften, die große Infrastrukturprojekte wie den Bau von Autobahnen vorantreiben.

Bildquelle: MEAG 

Die Fragen stellte Tobias Bürger, Bund Institutioneller Investoren, bii. 

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