Interview mit Hermann Aukamp

Hermann Aukamp: „Risikoadjustierung ist aktuell Trumpf“

Hermann Aukamp ist seit 2014 beratend und in Funktionen im Bereich Immobilien und Infrastruktur tätig. Das gilt für die Manager/ Produzentenseite wie für die Investorenseite. Vor seiner Pensionie- rung war er 33 Jahre für ein berufsständisches Versorgungswerk in Düsseldorf tätig.

Wie sah die Anlagewelt der Institutionellen Kapitalanlage bei ihrem Einstieg aus?
Im Immobilienbereich waren vor allem Direktbestände die Regel. Der Fokus lag auf Deutschland und hier ganz klar auf dem jeweiligen Bundesland oder einer Region. Sektoral waren die Investitionen auf Wohnimmobilien konzentriert. Erst langsam kamen Einzelhandelsimmobilien, zunächst in den Haupteinkaufsstraßen, hinzu. Schrittweise gab es dann auch erste Investitionen in Büroobjekte. Erst viel später kam beispielsweise Logistik hinzu.

Wann begannen die ersten Auslandsinvestitionen?
Erste Auslandsinvestitionen, zunächst in Europa, erfolgten je nach Größe des Gesamtportfolions und den finanziellen Möglichkeiten des jeweiligen institutionellen Investors ab Mitte der 1980er Jahren, gerade auch über die dann zunehmenden indirekten Investitionsmöglichkeiten.

Was waren ehemals die größten Herausforderungen für Profi-Investoren?
Die regionale und schließlich die internationale Diversifikation war eine große Herausforderung. Insgesamt war es ein großer Schritt von direkten Beständen hin auch zu indirekten Anlagen über entsprechende Vehikel wie Immobilienspezialfonds.

Die Regulatorik spielte dabei auch eine Rolle?
Eindeutig ja, denn neben den steigenden Anforderungen durch einen deutlich präsenteren Regulator haben wir auch neue Möglichkeiten für Investitionen erhalten. Ein weiterer positiver Effekt war die Etablierung eines professionellen Risiko-Managements, nun auch für illiquide Anlagen wie Real Assets und eine Anhebung der formal möglichen Immobilienbestandsvolumina. Das hat dann unter anderem mit der Niedrigzinsphase ab 2008 dazu geführt, dass die Immobilien-Quoten spürbar gestiegen sind, von ehemals unter 10% bis nicht selten zur nach der Anlageverordnung vorgegebenen Höchstgrenze von 25%.

Welche Entwicklungen der letzten 20 Jahre sehen sie eher positiv?
Begrüßenswert ist auf jeden Fall die deutliche Professionalisierung der institutionellen Kapitalanlage. Dazu zählt auch die frühe Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltigkeit und später den konkreten Anforderungen der EU mit Blick auf ESG. Heute ist ESG ein elementarer Bestandteil bei allen Anlageentscheidungen im institutionellen Bereich.

Wie kam es zu der sehr frühen Beschäftigung mit dem Thema ESG?
Das hat seine Wurzel in der sehr langfristigen Ausrichtung von institutionellen Kapitalanlagen. Nahezu alle Investoren denken hier eher in Jahrzehnten als in Jahren. Deshalb spielt die Überlegung zur möglichen Drittverwendungsfähigkeit und zur Marktgängigkeit beziehungsweise zum Werterhalt der Immobilien immer eine zentrale Rolle. So wurden und werden Nutzeranforderungen stark berücksichtigt.

Welche Aspekte sind aus Ihrer Sicht im Nachhinein eher kritisch?
Der teilweise extreme Ausbau der Real Asset-Allokation gerade auch noch zu Hochpreiszeiten an den Immobilienmärkten ist rückblickend problematisch. Objekteinkäufe mit Renditen von unter 3 % sind dafür ein Beispiel. Aber: Hinterher ist man immer klüger.

Wie sehen Sie die neue Generation der Asset-Manager auf Seiten der institutionellen Anleger?
Viele Entwicklungen und auch das Vokabular haben sich über die Jahre von den liquiden Anlagen hin zu den illiquiden Anlagen wie Immobilien übertragen. Die gesamte Professionalisierung wurde auch stark durch eine erheblich verbreiterte Hoch- und Fachhochschullandschaft geprägt. Neue Uni-Abschlüsse im kaufmännischen Bereich, unter anderem als Asset-Manager für Immobilien, waren und sind nun möglich. Der enorme Sprung in der Ausbildungsqualität ist inzwischen voll auf Manager- sowie Fondsebene und bei den institutionellen Investoren angekommen. Das ist unbedingt begrüßenswert und hilft der Weiterentwicklung in der Branche.

Wie sieht der Wettbewerb für die Assetklasse Immobilie aus?
Die gestiegenen Zinsen machen Neuinvestitionen im Anleihebereich wieder lukrativ, zumindest mit Blick auf die laufenden Zinserträge und damit zur Erfüllung der jeweiligen Rechnungszinsen. Auch Investitionen in Erneuerbare und Infrastrukturmaßnahmen sind ein starker Wettbewerber für Immobilienanlagen.

Schwankende Börsen, Anleihe-Renditen die von der Inflation aufgefressen werden und schwierige Immobilienmärkte. Wie beurteilen Sie die Lage?
Zunächst bleibt festzuhalten, dass die Ausgangslage, anders als bei der letzten Krise 2008 eine völlig andere ist. Die Immobilienquoten der institutionellen Investoren sind aktuell auf einem historischen Hoch und damit teilweise bis zur regulatorischen Höchstgrenze gesättigt. Dann gibt es heute sektorale und strukturelle Aufgabenstellungen. Der Büroflächennachfrage sitzt das Homeoffice im Nacken, der stationäre Einzelhandel steht im heftigen Wettbewerb mit dem Online-Handel und Wohnimmobilien stehen enormen Investitionsanforderungen beim Thema ESG gegenüber. Hinzu kommt eine allgemeine Wachstumsschwäche, die sich auf viele Immobiliensektoren bei der Flächennachfrage auswirkt. Insgesamt gehe ich davon aus, dass die Immobilienmärkte eine längere Zeit benötigen, um wieder festen Boden zu gewinnen und in der Breite attraktiv für Neuinvestitionen zu werden.

Kann man in dieser Situation Ratschläge beherzigen?
Natürlich sind die institutionellen Investoren sehr unterschiedlich, aber in Summe werden die meisten deutlich mehr auf langfristige Trends achten und verstärkt international in Wachstumsmärkte investieren.
Vor allem: Derzeit ist die Risikoadjustierung bei Neuinvestitionen und auch im Bestand Trumpf.

Wie und wo tanken Sie Kraft für neue Aktivitäten?
Ganz unspektakulär: Reisen, das Gewinnen von neuen Eindrücken und Erfahrungen, sowie mit der Zeit für Lesen, Familie und guten Freunden.