Interview mit Dr. Hans Wilhelm Korfmacher

Wie sah die Anlagewelt der institutionellen Kapitalanlage bei Ihrem Einstieg aus?

Vor 30 Jahren war es deutlich einfacher, die Zinsanforderungen der Altersvorsorgeeinrichtungen im Bereich von nominal rund 4 Prozent zu erreichen. Die Portfolios bestanden vielfach zu 70 bis 80 Prozent aus festverzinslichen Wertpapieren und Namenspapieren in Direktanlage. Der Rest beinhaltete Aktien- und Rentenfonds sowie Immobilienanlagen. Heute ist die Allokation bei vielen Lebensversicherungen wohl noch ähnlich, bei Pensionskassen und berufsständischen Versorgungswerken hat sich die Allokation seitdem grundlegend geändert. Die Zielanforderung von 4 Prozent war in der letzten Dekade mit Zinsträgern nicht zu erwirtschaften. Daher ist die Allokation in Immobilien und alternative Anlagen von vielen Investoren stark ausgebaut worden. Mit der Zinswende, die wir – in nicht geahnter Geschwindigkeit – erlebt haben, dreht sich die Allokation wieder hin zu Zinsträgern. Zinsträger werden aber wohl die alten Anteile an der Allokation nie wieder erreichen.

Was waren ehemals die größten Herausforderungen für Profi-Investoren?

Die Herausforderung bei der Vermögensanlage besteht darin, professionell von einer strategischen Allokation, erstellt auf der Grundlage einer Asset- Liability-Studie, eine taktische Positionierung abzuleiten und ggf. an sich ändernde Umstände anzupassen. In den 30 Jahren meiner Tätigkeit habe ich eine Vielzahl an „Jahrhundertkrisen“ erlebt: Dotcom-Blase, Finanzkrise, Corona- Pandemie und aktuell die Herausforderungen aufgrund der Zinswende und der weltpolitischen Situation mit zwei Kriegen in unmittelbarer Nachbarschaft und unklaren weltpolitischen Machtverhältnissen.

 

Die Regulatorik spielte dabei auch eine Rolle?

Für Versorgungswerke gelten grundsätzlich dieselben Anforderungen wie für Versicherungen. Das Land Nordrhein- Westfalen hat hier aber durch den Wegfall der Beteiligungsquote, eine erweiterte Öffnungsklausel und eine zusätzliche Infrastrukturquote sehr vorausschauend für Entlastung gesorgt.

Wie kam es zu der sehr frühen Beschäftigung mit dem Thema ESG?

Wir haben bereits 2012 die UN PRI (Principles for Responsible Investment als Finanzinitiative der UN) unterschrieben. Wir haben insbesondere zum Schwerpunkt “E” mit Anlagen in Solar-, Wind- und Wasserkraft bereits unseren Beitrag geleistet. Inzwischen befassen wir uns vertiefter mit den Themenschwerpunkten “S” und “G”. Es ist es uns als Altersvorsorgeeinrichtung ein besonderes Anliegen, den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Allerdings habe ich persönlich große „Bauchschmerzen“, wenn seitens internationaler und nationaler Gremien versucht wird, den institutionellen Investoren und Asset-Managern einen Werte-Kanon verbindlich vorzugeben.

Wie sehen Sie die neue Generation der Asset-Manager auf Seiten der institutionellen Anleger?

Wir befinden uns in einer herausfor- dernden Zeit mit vielen Krisen. Die jüngere Generation sollte mit älteren Kollegen, die auch schon „Nackenschläge” einstecken mussten, eng zusammenarbeiten. Wir haben bei der Auswahl von Managern seit vielen Jahren Wert darauf gelegt, insoweit diverse Teams zu mandatieren.

Wie sieht der Wettbewerb für die Assetklasse Immobilie aus?

Immobilien waren in den letzten 10 bis 12 Jahren „the place to be“. Auch künftig werden Immobilienanlagen unverzichtbarer Bestandteil eines institutionellen Anlageportfolios sein. Zunächst gilt es, in diesem und im nächsten Jahr die bestehenden Anlagen durch „schwere See” zu navigieren. Es wird künftig sicher wieder gute Investitionsmöglichkeiten für Anleger geben, die Quote, Liquidität und Mut mitbringen.

Schwankende Börsen, Anleihe-Renditen, die von der Inflation aufgefressen werden, und schwierige Immobilienmärkte. Wie beurteilen Sie die Lage?

Bei der Fülle an Herausforderungen und der Unsicherheit, wie sich die Wirtschaft künftig entwickelt, möchte ich mein Credo zitieren: „Demut und Diversifikation“. Ich weiß nicht, wie sich die Märkte entwickeln werden, also muss man versuchen, das anvertraute Portfolio so aufzustellen, dass es auch Krisenzeiten übersteht. Im Augenblick ist es daher wichtig, an den Bestandsinvestments zu arbeiten und sich auf einen optimalen Start aus der Krise vorzubereiten.

veröffentlicht in der Dezember Ausgabe 2023