Interview mit Dr. Jan Linsin,
Head of Research von CBRE
Zitat „2025 wird das Jahr der positiven Trendwende am Immobilienmarkt“
In welchen Sektoren haben wir bereits wieder Aufwind?
Zunächst, es wird besser im Bereich Vermietung und Investment. Allerdings fehlt der konjunkturell kräftigere Rückenwind. Positiv ist, das von der Kapitalmarktseite Entlastung durch die Zinssenkungen der EZB und Fed ausgeht. Die institutionellen Investoren haben sich über die letzten Jahre der steigenden Zinsen gut mit Anleihen versorgt, auch deshalb sind sie noch zurückhaltend. Stark nachgefragt sind Wohnimmobilien, wobei bei Core-Neubauten nicht nur eine Stabilisierung der Preise stattfindet, sondern sogar langsam wieder eine Umkehr hin zu Preissteigerungen. Eine echte Trendwende gab es bei Hotels, die Logistikrenditen zeigen leichte Anzeichen eines Renditerückgangs, zumal die Investorennachfrage aus dem Ausland deutlich zugelegt hat. Mit einer sich aufhellenden Konsumentenstimmung legt sogar der Einzelhandel zu, speziell in den Haupteinkaufsstraßen. Alles in allem kommt wieder Bewegung in die Märkte.
Sind Büroimmobilien derzeit das größte Sorgenkind?
Im Vergleich zum Vorjahr findet eine spürbare Stabilisierung statt, wobei wir eine Konzentration auf bessere Lagen und hochwertige Flächen feststellen. Im Zweifel werden weniger aber durchaus anspruchsvollere Flächen mit einer hohen Qualität angemietet. Die Preise für diese Flächen steigen, wenn auch die Leerstandsquoten insgesamt noch nicht zurückgehen. Hinzu kommt, die Menschen gehen wieder vermehrt in die Büros zurück und der Homeoffice-Anteil sinkt in den Unternehmen. Das merken wir auch an den Pendlerströmen, die Züge werden wieder voller.
Welche Nutzungsarten werden auf 5-Jahressicht zu den Gewinnern zählen?
Das Wohnsegment wird aufgrund der enormen Nachfrage in allen Segmenten wohl zu den Gewinnern zählen. Das betrifft normale Mietwohnungen, Wohnen auf Zeit, Seniorenwohnen und so weiter. Logistik wird auch auf eine wieder steigende Nachfrage treffen, genau wie beim zusätzlich durch das Thema KI getriebenen Ausbau die Anzahl der Rechenzentren wachsen wird. Infrastrukturinvestitionen werden sich in allen Formen ebenfalls als starkes Feld erweisen. Dazu zählen Schulen, Kitas, öffentliche Gebäude, aber auch im Energie- und Verkehrssektor Trassen, Solar- und Windparks.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage an den europäischen Märkten?
Der Investmentmarkt läuft in Großbritannien bereits wieder sehr gut. in den Niederlanden zeigen sich die Immobilienmärkte ebenfalls weit dynamischer. Die Situation in Frankreich ist der bei uns im Inland nicht unähnlich. Dafür erleben wir derzeit eine starkes Wachstum auf der iberischen Halbinsel, getrieben vor allem durch die Sektoren Einzelhandel und Tourismus, aber auch Büroimmobilien. In Summe sind wir in vielen europäischen Staaten bereits über die Talsohle hinaus und befinden uns wieder in einer Aufschwungphase.
Welchen Einfluss haben die exogenen Faktoren?
Der Einfluss ist bedeutsam, speziell bei den Megatrends mit dem großen „D“, also Digitalisierung, Deglobalisierung, Defense, Demografie, Dekarbonisierung und Disinflation. Auch 2025 wird es so schnell kein billiges Geld mehr für die Immobilienbranche geben, aber die Bauvorhaben sind dank der Zinssenkungen wieder besser finanzierbar. Eine breite Belebung erwarten wir für das zweite und dritte Quartal 2025.
Welche Megatrends müssen institutionelle Investoren jetzt im Blick behalten?
Bei den genannten Megatrends sticht die Digitalisierung heraus, auch, wenn sie zu weniger Flächenbedarf führen wird. Die Innenstädte werden im gewerblichen Bereich wieder stärker in den Fokus rücken, während die peripheren Standorte mit einer oft niedrigeren Flächenqualität leiden werden.
Was erwartet uns 2025 an den Immobilienmärkten in Deutschland und Europa?
Unsere Marktauswertung zeigt, dass wir trotz der konjunkturellen Schwäche in Deutschland bereits zu guten Teilen durch die Talsohle kommen. 2025 wird das Jahr der positiven Trendwende am Immobilienmarkt. Auch die institutionellen Investoren sind gut beraten, das nächste Jahr als Fenster der Chancen zu betrachten.
Wie und wo tanken Sie Kraft für neue Sichtweisen und Einschätzungen?
Ich liebe die Natur und bin mit meiner Familie viel draußen. Sportlich halte ich mich mit Fahrradfahren fit und bei allen Stürmen der Zeit gibt mir mein christlicher Glaube einen festen Anker und Kraft.
Über Dr. Jan Linsin
Seit September 2019 leitet Dr. Jan Linsin das interdisziplinäre Research-Team von CBRE in Deutschland und Österreich. Der Tätigkeitsschwerpunkt von Herrn Dr. Linsin ist die inhaltliche und strategische Ausrichtung des Bereichs im Hinblick auf Immobilienmarktforschung und immobilien-bezogenes Investment-Research. Dr. Linsin kann auf mehr als 25 Jahre Erfahrung in der immobilienwirtschaftlichen Marktforschung verweisen.