Bund Institutioneller Investoren: Herr Stahn, obwohl Sie erst Mitte 30 sind, haben Sie bereits für ein halbes Dutzend Unternehmen gearbeitet – hauptsächlich als Portfoliomanager. Sie haben ein Buch über Index-Strategien publiziert und beraten nun auch einen Marktplatz für nachhaltige Anlagen. Bleibt da noch Zeit für Ihr Hobby, das Fußballspielen?
Sebastian Stahn: Mein Tag ist an sich gut durchgetaktet, aber der Ausgleich darf – um langfristig glücklich und erfolgreich zu sein – definitiv nicht fehlen. Vor und nach der Arbeit freue ich mich auf meine Frau und meine zwei kleinen Töchter. Fußball spiele ich meistens, wenn die Kinder im Bett sind. Ein bisschen auspowern und danach mit Freunden zusammen ein Bierchen genießen bringt die Seele wieder ins Gleichgewicht.
Seit zwei Jahren verantworten Sie beim Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie die Kapitalanlage. Was ist der Kern Ihrer dortigen Tätigkeit?
Stahn: Die Arbeit ist sehr vielschichtig und spannend und reicht von der Definition der strategischen Asset Allocation bis hin zur Bestückung der einzelnen Bausteine mit geeigneten Investments. Zusätzlich kommen noch diverse operative Themen hinzu.
Was ist Ihre Lösung für das aktuelle Niedrigzinsumfeld?
Stahn: Wir fühlen uns gut aufgestellt und haben bereits seit vielen Jahren die klassische Anleihenquote durch ertragreichere Investments substituiert. Zu nennen sind hier beispielsweise Absolute-Return-Strategien oder auch Private Market Investments wie Infrastruktur oder Private Debt. Die Asset Allocation orientiert sich ganz grob an den renommierten US-Universitätsstiftungen.
Wie definieren Sie Risiko?
Stahn: Ich habe grundsätzlich ein Problem damit, wenn die ganze Welt von Volatilität als Risiko spricht. Schwankungen um eine Zielrendite und das „Bestrafen“ positiver Abweichungen von besagter passt nicht zu unserer Risikowahrnehmung. Letztlich läuft es – egal welches Risikomaß man wählt – immer auf absolute Verluste hinaus. Neben der wirtschaftlichen Risikotragfähigkeit spielt die emotionale Risikotragfähigkeit eine mindestens genauso wichtige Rolle. Die Asset Allocation sollte auch hierauf ausgerichtet sein. Ist sie dies nicht, besteht die Gefahr, dass bei zu hohen Drawdowns im ungünstigsten Fall prozyklisch die Reißleine gezogen wird und die Ergebnisse schlechter sind, als wenn man von Anfang an etwas defensiver aufgestellt gewesen wäre.
Und wie streuen Sie die Risiken?
Stahn: Die Diversifikation des Portfolios erfolgt auf mehreren Ebenen über Assetklassen, Regionen, Währungen und Investmentstile. Zudem hat in unserer Asset Allocation jeder Baustein eine bestimmte Aufgabe. Entweder Rendite generieren, in Crash-Phasen Schutz bieten oder komplett unkorreliert von den Geschehnissen am Kapitalmarkt sein. Zu guter Letzt gibt es noch ein Risiko-Overlay, das prozyklische mit antizyklischen Komponenten verbindet. Dieses konnte im Jahr 2020 nicht nur Verluste begrenzen, sondern auch einen positiven Beitrag zur Rendite leisten.
Was war Ihr bislang anspruchsvollstes Investment? Und hat es sich ausgezahlt?
Stahn: Das anspruchsvollste Investment war wohl bisher die Investition in unser Eigenheim. Hier spielen Emotionen eine große Rolle. Man muss sich wohlfühlen, das Umfeld muss passen, Kindergarten, Schule, etc. Hier neigt man sehr schnell dazu, das Wirtschaftliche außer Acht zu lassen. Trotzdem ist es – wie ich finde – ein wichtiger Punkt. Es ist wahrscheinlich die größte Investition, die man im Leben tätigt. Da sollte man neben den Emotionen auch die „Zahlen“ beachten.
Wie entspannen Sie sich nach der Arbeit und/oder dem Fußballspiel?
Stahn: Eine unserer bisher „besten“ Investitionen war eine Sauna. Gerade in der kalten Jahreszeit kann man hier schön entspannen.
Haben Sie ein Vorbild, an dem Sie sich beruflich und/oder privat orientieren?
Stahn: Ich kann hier keine Person nennen, aber man wird im Leben nur Erfolg haben, wenn einem das, was man macht, auch Spaß bereitet. Ich liebe es, neue Investmentmöglichkeiten abseits des Mainstreams zu entdecken, die Mehrwert im Portfolio schaffen. Ergänzen würde ich diese Eigenschaften gerne mit der Geduld meiner Frau und der Freude meiner Kinder.
Welches Buch haben Sie mehrmals gelesen und warum?
Stahn: Meine Frau schaut mich im Urlaub immer kopfschüttelnd an, wenn ich ein Fachbuch lese. Was soll ich sagen … Das löscht meinen Wissensdurst und entspannt mich. Aktuell kommt das Lesen etwas zu kurz. Mehrfach gelesen habe ich natürlich mein eigenes Buch „Beyond Smart Beta – Index Investment Strategies for Active Portfolio Management“. Schleichwerbung darf ja schließlich nicht fehlen. Zudem fand ich „Factfulness“ und „A Random Walk Down Wall Street“ sehr gut.
Über den Interviewten:
Sebastian Stahn verantwortet die Kapitalanlagen beim Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e.V. Seit April 2019 arbeitet Stahn für den einflussreichen Arbeitgeberverband mit Sitz in München. Der Verband vertritt die gemeinsamen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Interessen von über 3.100 Mitgliedsbetrieben.
Bild: Privat
Die Fragen stellte Tobias Bürger, Bund Institutioneller Investoren, bii.