Trade Finance: Höhere Zölle als Herausforderung für die Handelsfinanzierung?
Bereits kurz nach Amtsantritt von Donald Trump sind die ersten Auswirkungen seiner verschärften Handelspolitik unter dem Motto „America first“ spürbar; so z.B. die Ankündigung von Zöllen in Höhe von 25% auf in der EU hergestellte Waren.
Bereits von 2016 bis 2020 versuchte die erste Trump-Regierung, das US-Handelsdefizit, insbesondere gegenüber China, durch die Einführung von Zöllen und die Neuverhandlung von Handelsabkommen zu verringern. Als Reaktion auf den Handelskrieg ging das Wachstum des Welthandels leicht zurück, blieb in den Folgejahren aber weiterhin positiv. Das US-Handelsdefizit mit China halbierte sich aufgrund der neuen Zölle, wurde aber zum Großteil durch ein gestiegenes Defizit mit anderen asiatischen Ländern ersetzt: Die USA importierte also weniger aus China und mehr aus dem Rest von Asien.
Für die Zukunft gehen wir ebenfalls davon aus, dass der Welthandel trotz der dämpfenden Wirkung von Zöllen weiterwachsen wird und mit ihm die Nachfrage nach Handelsfinanzierungen. Beide werden sich jedoch an die volatilere und protektionistischere globale Handelslandschaft anpassen müssen. Auch die WHO erwartet, dass sich das Wachstum des Welthandels von 2,7% im Jahr 2024 auf 3% im Jahr 2025 beschleunigen wird.[1]
Abbildung 1: Das Volumen der Handelsfinanzierung ist weiter gestiegen
Die Daten des Trade Finance-Marktes deuten darauf hin, dass die während der ersten Trump-Regierung eingeführten Zölle das wachsende Finanzierungsvolumen nicht behindert haben . Das Gesamtvolumen von Supply Chain Finance (einem bedeutenden Teil der Handelsfinanzierungen) ist laut einer Branchenumfrage von BCR von 2017 bis 2023 trotz potenzieller Beeinträchtigungen durch Handelsprotektionismus jährlich durchschnittlich um 26% gewachsen.[2]
Prognosen, die vor der Trump-Wahl erstellt wurden, deuteten auf eine allmähliche Erholung des Welthandels trotz geopolitischer Unsicherheiten und regionaler Konflikte hin. Durch die Handelsbeschränkungen, die Trump aktuell vorantreibt, ist es allerdings wahrscheinlich, dass wie in der ersten Amtsperiode nicht alle Branchen und Länder gleich betroffen sein werden. Einige werden Gewinner und andere Verlierer sein.
Trade Finance weiterhin nachgefragt
Die von den USA angekündigten höheren Zölle gegenüber China, Mexiko, Kanada und anderen Handelspartnern wie der EU werden die Welt nicht in ihren Grundfesten erschüttern aber zumindest “ordentlich durchschütteln”. Wir glauben, dass sich Trade Finance an dieses Umfeld anpassen wird, da gerade in der jetzigen schwierigen Marktlage Unternehmen weiterhin Finanzmittel benötigen, um zu Handel treiben . Und wenn wir die Geschichte heranziehen wollen, können wir wohl davon ausgehen, dass der Welthandel dem Aufkommen weiterer protektionistischer Maßnahmen standhalten wird, was die Nachfrage nach Trade Finance weiter anheizen sollte. Der sogenannte “trade finance gap”, der die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage nach Handelsfinanzierung misst, hat sich in den letzten Jahren weiter vergrößert – trotz des verlangsamten Wachstums des Welthandels. Diese Finanzierungslücke beläuft sich derzeit auf 2,5 Billionen US-Dollar – vor einigen Jahren lag sie noch bei 1,5 Billionen.[3] Ein Grund dafür ist, dass Trade Finance nicht nur internationale Handelsgeschäfte finanziert, sondern auch innerstaatlichen, lokalen Handel, der von den Zöllen nicht direkt beeinflusst wird. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach Handelsfinanzierungen seitens Unternehmen wie in den letzten Jahren weiter steigen wird, da diese Finanzierungsform aus Sicht der Unternehmen ideal geeignet ist, Risiken in unsicheren Zeiten zu mindern.
Neben dem Protektionismus spielen geopolitische Risiken für Investoren eine immer größere Rolle. Hier kann Trade Finance aufgrund der ultra-kurzen Laufzeit der Papiere als sicherer Hafen in stürmischen Märkten dienen. Die kurze Duration von Trade Finance führt zu einer niedrigen Korrelation mit anderen Assetklassen, wie man sie schon im Krisenjahr 2020 sehen konnte. Darüber hinaus ermöglicht die kurze Laufzeit eine Umschichtung der Titel, um sich kurzfristig an neue durch Zölle oder Geopolitik entstehende Risikoszenarien anzupassen. Dies macht die Assetklasse in volatilen Märkten besonders attraktiv.
Für Banken hat die Einführung des Basel IV-Rahmenwerks im Jahr 2025 zu höheren Kapitalanforderungen für verschiedene Formen der Handelsfinanzierung geführt. Hierdurch sind Banken, die den weitaus größten Anteil am Finanzierungsmarkt ausmachen, stärker auf externe Investoren angewiesen, wodurch sich neue Möglichkeiten für Trade Finance-Anleger eröffnen.
Im Sturm segeln kann sich lohnen: Trotz des erhöhten Gegenwinds durch verschärften Protektionismus hat sich Trade Finance bisher als widerstandsfähige Anlageklasse erwiesen und bietet Anlegern, die stabile, unkorrelierte Renditen anstreben, weiterhin vielversprechende Möglichkeiten, insbesondere in unsicheren Zeiten.
Martin Opfermann,
Lead Portfolio Manager, Allianz Global Investors
Heiko Teßendorf,
Head of BD Corporates & Family Offices; Allianz Global Investors
[1] Gradual trade recovery underway despite regional conflicts, policy uncertainty, World Trade Organisation, 11 October 2024
[2] World Supply Chain Finance Report, 2024, BCR Publishing
*Welthandelsorganisation
[3] Global Trade Finance Gap Expands to $2.5 Trillion in 2022, Asian Development Bank, September 2023.