Value Investing – Einige Überlegungen aus der Wissenschaft
Value Investing ist eine vieldiskutierte Investmentstrategie, doch was steckt genau dahinter? Wie schätzen wissenschaftliche Untersuchungen diese Strategie ein? Diesen Fragen soll im Folgenden nachgegangen werden.
Value Aktien sind im Gegensatz zu Wachstumsaktien zu sehen und beschreiben Aktien von Unternehmen, deren Bewertung im Wesentlichen auf heutigen Cashflows (bzw. Gewinnen und Dividenden) und nicht auf zukünftigen Cashflows (wie bei Wachstumsaktien) basieren. Vor dem Hintergrund dieser Typisierung haben sich zwei Sichtweisen des Value Investing herauskristallisiert. Während die erste Sichtweise aus der Anlagepraxis kommt und auf Benjamin Graham zurückgeführt wird, ist die zweite Sichtweise ein Resultat empirischer Finanzforschung. Die erste Sichtweise des Value Investing zielt darauf ab, Unternehmen auf der Basis ihrer Fundamentaldaten zu bewerten, daraus einen intrinsischen Wert abzuleiten und in Aktien von Unternehmen zu investieren, deren intrinsischer Wert größer als der aktuelle Markt wert ist. Oder anders formuliert, nach unterbewerteten Unternehmen Ausschau zu halten und in diese zu investieren. Während es zwar hinreichend anektodische Evidenz für den scheinbaren Erfolg dieser Strategie gibt, zeigen vielzählige wissenschaftliche Studien, dass dies in der Realität nur selten bis gar nicht langfristig realisierbar ist. Selbst wenn Asset Manager für eine gewisse Zeit den Markt auf dieser Basis schlagen, ist die Persistenz dieses Erfolges nicht gegeben. Dies bedeutet, dass vergangene Erfolge keine Vorhersagekraft für zukünftige Erfolge hat, was eine langfristig erfolgreiche Strategie sehr zweifelhaft erscheinen lässt.
Die zweite Sichtweise der Fokussierung auf „Value“ betrachtet Value Aktien als einen besonderen Risikofaktor, der neben dem Marktrisiko eine besondere Risikoprämie mit sich bringt. Der Value-Risikofaktor wird als Determinante der erwarteten Aktienrendite über Unternehmen hinweg angesehen. Zentral geht diese Hypothese auf eine Reihe von Studien von Eugene Fama und Kenneth French (etwa Fama/French (1992), (1993), (2015)) zurück. In ihrem Dreifaktormodell zeigen Fama und French (1992), dass in einem Datensample für US-Aktien von 1963-1990 neben dem Marktrisiko, der Value Faktor (gemessen durch ein hohes Buch-zu-Marktwertverhältnis) ebenso wie Größe des jeweiligen Unternehmen („Size“, gemessen durch die Marktkapitalisierung des Unternehmens) statistisch signifikant mit den Renditen von Aktien im Querschnitt zusammenhängt. Die Grundidee dabei ist, dass Portfolios, die auf diesen beiden zusätzlichen Faktoren basieren, eine über das Marktrisiko hinausgehende Risikokomponente mit sich bringen, oder in den Worten von John Cochrane in seiner 2011-Presidential-Address der American Finance Assosciation: „Alle mit hohen Renditeerwartungen versehenen Value-Aktien (selbst wenn man das Marktengagement korrigiert) werden tendenziell zusammen fallen, wenn sie fallen“ (Cochrane (2011)) . Im Rahmen vieler weiterer Studien kamen in den letzten drei Jahrzehnten weitere Faktoren hinzu, wie etwa der Momentum Faktor (vgl. Carhart (1997), der mit sogenannten Momentum Crashes verbunden ist (vgl. Daniel/Moskowitz (2016)). Inzwischen ist ein ganzer Faktor-Zoo entstanden, der mehr als 150 Faktoren umfasst (vgl. Feng et al (2020)). Jüngste Untersuchungen zeigen allerdings, dass vieler dieser zusätzliche Faktoren keine zuverlässige Erklärungskraft über einige Basisfaktoren hinaus besitzen und auch hochgradig zeitvariant sind (vgl. z.B: Feng et al (2020)).
Wie aber steht es mit dem Basisfaktor „Value“? In dieser Hinsicht lassen sich zwei wesentliche Beobachtungen, gestützt auf empirischen wissenschaftlichen Studien machen. Zum einen ist die Erklärungskraft des Faktors „Value“ in anderen Ländern weniger ausgeprägt (vgl. z.B. Foye (2018)) als in den US-Daten. Zum anderen und dies ist mit Blick auf die Bedeutung des US-Marktes von besonderer Wichtigkeit, scheint auch der Value Faktor, gemessen an Daten für den US-Kapitalmarkt keineswegs gegen das Problem der Zeitvarianz gefeit zu sein. So zeigen etwas Fama/French (2020) selbst, dass der Value-Faktor über den gesamten Zeitraum 1963-2019 in der ersten Hälfte (1963-1991) deutlich ausgeprägter war als in der zweiten Hälfte (1991-2019). Während ein marktgewichtetes Value-Portfolio in der ersten Hälfte des Zeitraums eine monatlichen Überrendite (relativ zum Marktportfolio) von 0,42% aufwies, schrumpfte dies in der zweiten Hälfte auf 0,11%, ein Wert, der nicht mehr statistisch signifikant größer Null ist. Auch weitere Studien verweisen deutlich auf die Zeitvarianz des Value Faktors (vgl. z.B. Cochrane (2011).
Als Fazit kann gelten: Den Value-Faktor als Risikofaktor einfach abzuschreiben, ist sicherlich verfrüht, da ja wie wir wissen, Totgesagte oft länger leben.
Prof. Dr. Uwe Walz
Goethe Universität Frankfurt am Main