Artikel „Wohnimmobilien – Stabilitätsanker im Sturm?“

Rezession, Homeoffice und Online- Handel sind die maßgeblichen Ursachen für die strukturellen Probleme gleich in zwei großen Immobiliensektoren, dem Handel und dem Bürobereich. Doch wie sieht es bei Wohnimmobilien aus? Gewohnt wird doch immer, schließlich braucht jeder ein Zuhause.

Die Immobilienbranche steckt in einem heftigen Sturmtief. Nicht nur die Wirtschaftsflaute, zwei Jahre Pandemie und in Deutschland sogar eine Rezession dämpfen jeglichen Optimismus. Dabei lassen zusätzlich strukturelle Probleme aus der ohnehin rauen See einen ausgewachsenen Orkan werden. Denn anders als bei der Finanzkrise 2008 ist dieses Mal die ganze Wirtschaft betroffen.

Strukturprobleme bei Büro und Einzelhandel

Viele Unternehmen schrumpfen sich gesund, um Kosten zu reduzieren. Dazu zählt auch die Reduzierung von Mietflächen. Hinzu kommt das strukturelle Thema Homeoffice. Die Heimarbeit ist so beliebt und bequem, dass nicht wenige Unternehmen 30 Prozent ihrer Belegschaft dauerhaft nicht mehr auf den teuer angemieteten Büroflächen sehen. Der Pandemie ist auch eine Verstärkung des Online-Einkaufs geschuldet. Einzelhandelsimmobilien darben mehr denn je, es sei, es handelt sich um Nahversorger, Lebensmittelhändler oder kleine Fachmärkte. Die großen Einkaufsstraßen oder gar die meisten Shopping-Center haben hingegen mit dramatisch zurückgehenden Umsätzen zu kämpfen.

Punktgewinne für Wohnimmobilien

Bleibt von den drei großen Immobilien-Sektoren noch Wohnen. Hier sieht die Lage anders aus. Die Nachfrage ist extrem stark, getrieben durch die demografische Entwicklung und auch durch das Bevölkerungswachstum in Deutschland. Die Mietpreise sind mehr als stabil auch in der Wirtschaftskrise. Speziell die Nachfrage bei bezahlbarem Wohnraum und bezahlbaren Wohnungsgrößen mit 1 bis 3 Zimmern ist sogar noch gestiegen. Gleichzeitig stagniert aufgrund der erheblich gestiegenen Finanzierungskosten sowie der auch inflationsbedingten Explosion der Baupreise das Angebot. Der Wohnungs-Neubau ist sogar im heftigen Rückwärtsgang, zumindest derzeit. In Summe sind das mehrere Punktgewinne für Wohn-Investments.

Wohnimmobilien – Sonnenschein mit Wölkchen

Gut, Wohnen ist ein Grundbedürfnis und die Nachfrage nach Wohnraum entsprechend nahezu komplett unabhängig von konjunkturellen Schwankungen, wie wir gerade aktuell sehen. Doch auch die beste Wohnimmobilie muss irgendwann modernisiert oder revitalisiert werden.

Hinzu kommen die deutlich ambitionierten ESG-Vorstellungen aus Brüssel und Berlin. Die eigentlichen Herausforderungen im Wohnbereich sind folglich weniger Nachfrageschwächen oder sinkende Preise, sondern die Modernisierungsvorhaben im Bestand.

Revitalisierungen im Bestand: ESG und Co.

Sanierungen zur Einsparung von Energie und zur Erfüllung der ESG-Vorgaben stehen mit höchster Priorität und größtem Kostenanteil ganz oben auf der Agenda. Hier liegen die Vorteile auf der Hand: Die Nutzer profitieren von einem modernen und energieeffizienten Wohnumfeld und der Immobilieneigentümer hat nach der Sanierung häufig einen deutlich geringeren Verwaltungsaufwand, weniger Mieterwechsel und zufriedene Mieter.

Politik ist oft mehr Verhinderer als Förderer

Eine große Hürde ist in einigen Städten eine Sanierung zur Erreichung der bestmöglichen Energieeffizienz. Denn leider ist das insbesondere in so genannten Milieuschutzgebieten wie in Berlin oft nicht so einfach. Die zuständigen Behörden schränken bei der energetischen Modernisierung beispielsweise die Stärke der Fassadendämmung und den Einbau von Isolierglasfenstern ein. Begründet werden die Restriktionen mit dem „Mieterschutz“ und „zu starker Aufwertung“. Energieeffiziente Gebäude sind hingegen angesichts der steigenden Betriebs- und Heizkosten immer ein Mehrwert für die Mieter. Daher ist die Haltung der Politik nicht nachvollziehbar.

Fazit

Große Strukturelle Probleme haben Wohnimmobilien derzeit nicht. Die Nachfrage ist genauso stabil wie die Mietpreise. Dafür schwebt das Sanierungsschwert aus dem Hause Damokles über den Beständen. Immer neue ESG- Anforderungen machen Investitionen in den Bestand und vor allem Modernisierungen notwendig. Doch zumindest um eine solide Vermietung brauchen sich die Investoren anders als bei Büro- und Einzelhandelsflächen keine Sorgen zu machen. Insofern bleiben Wohnimmobilien der Stabilitätsanker in stürmischen Zeiten.