„Real Estate Debt bietet jetzt neue Chancen“

Interview mit Tobias Barten,
Vorstand, Engel & Völkers Capital AG

„Real Estate Debt bietet jetzt neue Chancen“

Wie steht es aktuell um die Finanzierungsmöglichkeiten im Immobilienmarkt?
Der Immobilienfinanzierungsmarkt ist derzeit stark selektiv. Projektentwickler und Investoren stellen deutlich höhere Anforderungen an Qualität und Nachhaltigkeit von Projekten. Während früher oft mit hohen Fremdkapitalquoten auch riskante Projekte umgesetzt wurden, achten Investoren heute – insbesondere institutionelle Investoren – auf solide Konzepte mit werthaltiger Substanz. Wer diese Standards erfüllt, kann aber nach wie vor auf eine breite Palette von Finanzierungsmöglichkeiten zurückgreifen – gerade im Bereich alternativer Kapitalmarktprodukte wie strukturierten Anleihen oder Verbriefungen.

Wie sehen diese Anforderungen konkret aus?
Gefragt sind Immobilien in wirtschaftlich stabilen Regionen mit guter Anbindung und nachhaltigen Nutzungskonzepten. Wohnimmobilien in urbanen Lagen sind nach wie vor besonders attraktiv – insbesondere bei konjunkturunabhängiger Nachfrage. Im Büro-Segment gilt: Nur moderne, ESG-konforme Konzepte in Top-Lagen haben aktuell eine realistische Finanzierungschance. Gleichzeitig beobachten wir eine wachsende Tendenz zu kurzfristigeren Laufzeiten – etwa zwischen acht und zwölf Monaten – was mehr Flexibilität in volatilen Märkten ermöglicht.

Was haben Sie mit Engel & Völkers Capital für die nächste Zeit Neues geplant?

Unser klarer Fokus liegt weiterhin auf Real Estate Debt – also strukturierten, besicherten Anleiheformen mit kurzen Laufzeiten und stabilen Cashflows. Besonders spannend ist dabei unsere Hypotheken Note: Ein Verbriefungsprodukt, das wir in die Zusammenarbeit mit Engel & Völkers Liquid Home entwickelt haben. Die Idee dahinter ist Immobilieneigentümern Liquidität zu verschaffen und Investoren im Gegenzug Zugang zu grundpfandrechtlichen besicherten Zahlungsströmen zu ermöglichen.

Infrastruktur rückt immer stärker in den Fokus. Ist das für Sie ein Trend oder eine Nische?
Infrastruktur entwickelt sich klar vom Nischenthema zum strategischen Investmentbereich. Das Interesse institutioneller Investoren steigt stetig – als Ergänzung oder Alternative zu klassischen Segmenten wie Büro oder Einzelhandel. Die Herausforderung liegt weniger auf Investorenseite als auf Angebotsseite. Der Zugang zu kommunalen Projekten ist nicht trivial. Hier spielt unser Netzwerk eine entscheidende Rolle – durch unsere regionale Präsenz und spezialisierten Partnergesellschaften sind wir frühzeitig an relevanten Projekten beteiligt, auch im Bereich erneuerbare Energien oder Logistik.

ESG und Finanzierung – wie gut passt das aktuell wirklich zusammen?
ESG ist kein „Nice to have“ mehr – es ist ein integraler Bestandteil jeder ernstzunehmenden Immobilienfinanzierung. Institutionelle Anleger achten heute nicht nur auf Rendite, sondern auf die langfristige Werthaltigkeit, Marktgängigkeit und Compliance der Investments. Ohne ein fundiertes ESG-Konzept sind viele Projekte schlicht nicht mehr vermittelbar. Insofern ist Nachhaltigkeit nicht nur regulatorisch getrieben, sondern auch ein harter Wettbewerbsfaktor am Finanzierungsmarkt.

Wie verändert sich der Austausch mit institutionellen Investoren?
Transparenz ist heute wichtiger denn je, Investoren erwarten klare Kommunikation – insbesondere auch in herausfordernden Marktphasen. Das betrifft nicht nur Chancen, sondern auch Risiken schafft Vertrauen. Wir sehen zudem eine Offenheit gegenüber Real Estate Debt – gerade dann, wenn das Produkt besichert, nachvollziehbar strukturiert und durch erfahrene Partner begleitet wird.

Spanien und DACH bleiben Ihre Kernmärkte. Welche Region überrascht Sie mehr?
Beide Regionen entwickeln sich positiv, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten. In Deutschland ist nach wie vor die Nachfrage nach Wohnimmobilien hoch – gerade im mittleren Preissegment. In Spanien sehen wir derzeit interessante Entwicklungen im Einzelhandelsbereich, vor allem bei innovativen, nutzungsdurchmischten Konzepten. Es zeigt sich, dass solide Projekte mit guter Marktkenntnis auch in unsicheren Zeiten Kapital anziehen können.

Wenn Sie eine Sache im Markt sofort ändern könnten – was wäre das?
Ich würde mir eine regulatorische Stärkung des Real Estate Debt-Martes wünschen – etwa durch klare Rahmenbedingung für Verbriefungen und angemessene Eigenkapitalanforderungen. Gerade im Hinblick auf den enormen Bedarf an Wohnraum wäre das ein entscheidender Hebel. Mehr Anreize für institutionelle Investoren – auch steuerlich – könnten dazu beitragen, dringend benötigtes Kapital effizient in nachhaltige Immobilienprojekte zu lenken.

Eine persönliche Frage: Haben Sie ein besonderes Hobby?
Ich besuche sehr gerne Zoos und Aquarien – am liebsten auf Reisen in verschiedenen Ländern. Mich fasziniert die Tierwelt und ich finde es spannend zu sehen, wie unterschiedlich solche Einrichtungen gestaltet sind. Oft lerne ich dabei nicht nur etwas über Tiere, sondern auch über Nachhaltigkeit, Artenschutz und die kulturellen Unterschiede im Umgang mit Natur.

Über Tobias Barten
Tobias Barten ist Vorstand bei Engel & Völkers Capital AG. Zuvor war er Co-CEO bei Engel & Völkers Digital Invest in Berlin. Hier war er unter anderem für Aufbau der Crowdinvesting-Plattform, mit Fokus auf Vertrieb, Kundenbetreuung, Research und Investor Relations verantwortlich. Zudem begleitete er den Börsengang der EV Digital Invest AG im Mai 2022. Zuvor arbeitete er bei unterschiedlichen Investmenthäusern (z.B. bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank), wo er unter anderem Family-Offices im Bereich Kapitalanlageimmobilien beriet.