Interview mit Prof. Dr. Axel Wieandt

Prof. Dr. Axel Wieandt ist seit 2005 Honorarprofessor der WHU. Seit 2002 lehrt er dort als externer Dozent über Finanzintermediäre. Neben seinen Vorlesungen an der WHU hatte er seit 2013 auch einen Lehrauftrag an der Goethe Business School der Universität Frankfurt, zuletzt für Bank Management und Digital Assets. Von 2016 bis 2022 war er Adjunct Professor of Finance an der Kellogg Graduate School of Management in den USA. Axel Wieandt ist zudem als Business Angel und Investor im FinTech Sektor aktiv und berät Venture Capital und Private Equity Fonds sowie Finanzdienstleister im In- und Ausland.

 

Sie sind stark in der Wissenschaft aktiv. Wo liegen aktuell Ihre Schwerpunkte?
Meine Schwerpunkte liegen vor allem in den Themenbereichen Bankenkrisen, Bankenregulierung und digitale Vermögensgegenstände. Aktuell bereite ich eine neue Vorlesung für die TU München vor zum Thema „Digital Assets, Blockchain Technologie and the Future of Finance“. Durch meine Beratungstätigkeit für Start-ups, Private Equity Fonds und Finanzdienstleister im In- und Ausland bin ich momentan aber mehr als gut ausgelastet, sodass insgesamt zu wenig Zeit für Wissenschaft und Lehre bleibt.

Wie beurteilen Sie die Lage an den Kapitalmärkten für institutionelle Investoren? Kommt nach dem Immobilienboom nun der Anleihe-Boom?

Ich wäre vorsichtig, von einem möglichen An- leihe-Boom zu sprechen. Denn die Nominal- renditen haben zwar zugenommen, aber die noch stärker gestiegene Inflation führt unter dem Strich bei den Realrenditen sogar zu einem noch schlechteren Ergebnis als vor zwei Jahren.

Immobilieninvestoren stehen gerade in den Segmenten Büro, Gewerbe und Einzelhandel vor erheblichen Herausforderungen – von weiteren Belastungen durch Investitionen für den Klimaschutz ganz zu Schweigen. An Aktien führt deshalb gerade auch in Zei- ten der hohen Inflation kein Weg vorbei, insbesondere nicht an Unternehmen mit starken Marktpositionen, die den Inflationsdruck bei den Faktorkosten an ihre Kunden weitergeben können und von der grünen Transformation profitieren.

Mit den steigenden Zinsen haben sich auch die Finanzierungskonditionen spürbar verändert. Was bedeutet das für Startups?

Die steigenden Zinsen, insbesondere am langen Ende, führen dazu, dass künftige Gewinne heute an Wert verlieren. Fallende Bewertungen führen bei Kapitalerhöhungen zu einer stärkeren Verwässerung der Grün- der. Viele Start-ups versuchen deshalb mit Kosteneinsparungen sowie durch die Aufnahme von Venture Debt den vorhandenen Finanzierungsrahmen auszudehnen, in der Hoffnung auf bessere Kennzahlen und höhere Bewertungen in der Zukunft. Aus diesem Grund werden Profitabilität und Stabilität in der Finanzierung inzwischen wichtiger als Wachstum um jeden Preis.

Man hat das Gefühl, dass sowohl die Bereiche Venture Capital als auch Private Equity-Investitionen in Deutschland im Vergleich zu den USA immer noch in den Kinderschuhen stecken. Ist das so?

Deutschland beziehungsweise Europa haben im Vergleich zu den USA bei den Venture Capital-Investitionen aufgeholt. So ist beispielsweise in den vergangenen 15 Jahren in Deutschland, insbesondere in Berlin, ein funktionierendes Ökosystem, mit tausenden von Start-ups entstanden. Allerdings fehlt uns nach wie vor ausreichendes Wachstumskapital. Im direkten Verhältnis zum Bruttosozialprodukt investieren die USA immer noch dreimal so viel in Venture Capital wie Deutschland, trotz einer Fülle an Erfindungen hierzulande.

Was sind die Gründe für diese schwache Aufstellung im Bereich Venture Capital?
Ein wichtiger Grund ist das Fehlen von aus- reichenden Kapitalmarktfinanzierungsmöglichkeiten und Exits über IPOs, aber auch der Mangel an großen strategischen Käufern wie in den USA. Hinzu kommt die Risikoaversion in Deutschland und die fehlende Akzeptanz des Scheiterns. Dies geht Hand in Hand mit der immer noch unterentwickelten Aktienkultur. Eine große Rolle spielt, dass es schwierig bis unattraktiv ist für institutionelle Investoren hierzulande in VC zu investieren, zum Teil begründet in der Regulatorik aber auch in den steuerlichen Rahmenbedingungen.

Was muss passieren, damit direkte Unternehmensbeteiligungen auch außerhalb der Börse für institutionelle Anleger wieder interessanter werden?

Die Beschränkungen bei Aktienanlagen sollten gelockert werden. Zudem sollten Private Equity und Venture Capital fester Bestandteil einer langfristig und nachhaltig ausgerichteten Asset-Allokation bei institutionellen Investoren werden. Dafür müssen wir attraktivere Rahmenbedingungen für in Deutschland ansässige VC- und PE-Fonds schaffen. Ein weiterer elementarer Punkt ist der Umstieg von einer umlagefinanzierten zu einer kapitalgedeckten Altersversorgung bei der gesetzlichen Rente. Denn große Investitionen kommen in den USA in diesem Segment gerade von den dortigen Pensionfonds.

Wie und wo tanken Sie Kraft für neue Sichtweisen und Einschätzungen?
Mir gibt der Austausch mit meinen Studenten immer wieder neue Impulse und ich bleibe am Puls der Zeit. Natürlich erweitert sich insbesondere auch mein Horizont durch den Austausch mit vielen Kollegen im In- und Ausland. Privat tanke ich gerne Kraft im Urlaub mit meiner Familie an der Nordsee.

 

Institutioneller Investoren